Anämie (Blutarmut) - Ursachen, Symptome, Risiken
Der Begriff Anämie stammt aus dem griechischen und bedeutet so viel wie "ohne Blut". Man spricht umgangssprachlich von Blutarmut, oder auch Blutmangel. Das Problem dabei ist eine verminderte Konzentration von Hämoglobin. In der Regel ist das gleichbedeutend mit zu wenigen Erythrozyten. Denn das Hämoglobin ist der Bestandteil der Erythrozyten, der auf den Transport von Sauerstoff durch den Organismus spezialisiert ist. Die regelmäßige und ausreichende Versorgung mit Sauerstoff ist für die Organe lebenswichtig.
Bei einer Anämie ist somit die Sauerstoff-Transport-Fähigkeit des Blutes vermindert. In den Organen kommt also weniger Sauerstoff an als eigentlich erforderlich wäre. In der Folge reagiert der Körper mit einer erhöhten Herzmuskelfrequenz. Das Blut wird schneller durch den Körper gepumpt, damit auch die geringere Erythrozyten-Menge noch ausreichend Sauerstoff in die Zellen transportieren kann. Allerdings ist diese erhöhte Herzaktivität belastend.
Veränderte Blutwerte, die auf eine Anämie hindeuten
Die folgenden Blutwerte (gegebenenfalls auch nur einzelne) sind bei einer Anämie verändert:
- Erythrozyten zu niedrig (Blutwert Ery vermindert)
- Hämoglobin zu niedrig (Blutwert Hb vermindert)
- Hämatokrit zu niedrig (Blutwert Hkt vermindert)
- Retikulozyten zu niedrig (Blutwert Reti vermindert)
Es gibt verschiedene Formen der Anämie, die jeweils verschiedene Ursachen haben können. Zunächst muss man unterscheiden, ob tatsächlich zu wenig Erythrozyten gebildet werden, oder ob nur die Erythrozytenzahl (bzw. die Anzahl der Blutzellen) im Verhältnis zum Blutplasma verändert ist (Hämatokrit). Das kann zum Beispiel bei einer Überwässerung passieren.
Dann muss geprüft werden, ob möglicherweise zu viele Erythrozyten abgebaut werden (in Milz und Niere).
In den meisten Fällen ist jedoch die Blutbildung gestört, häufig aufgrund einer Mangelerscheinung. Es stehen nicht genügend Bausteine zur Verfügung, um neue rote Blutkörperchen zu produzieren. Da der entscheidende Baustein der Erythrozyten das Hämoglobin ist, und innerhalb des Hämoglobins wiederum Eisen eine sehr wichtige Rolle spielt, ist oft Eisenmangel die Ursache einer Anämie (siehe Eisenmangelanämie).
Eine Anämie lässt sich in der Regel anhand von drei Blutwerten diagnostizieren: Hämoglobin, Transferrin und Ferritin. Die Normalwerte sind:
Eisen-relevante Blutwerte | ||
Frauen | Männer | |
Hämoglobin | 12 - 16 g/dl | 13 - 17 g/dl |
Transferrin (Sättigung) | 25% -45% | 25% -45% |
Ferritin | 20 ng/ml - 100 ng/ml | 30 ng/ml - 300 ng/ml |
Abkürzungen: ml = Milliliter; dl = Deziliter; g = Gramm; ng = Nanogramm - Mehr zu den Einheiten
Anämie-Arten
Anämien kommen recht häufig vor. Daher wird routinemäßig beim Arztbesuch meist ein kleines Blutbild erstellt. Anhand der dabei gemessenen Blutwerte lässt sich eine Anämie meist erkennen. Es gibt zahlreiche verschiedene Anämie-Arten.
Man unterscheidet prinzipiell zwischen angeborenen (vererbten) und erworbenen (temporären) Anämien. Letztere sind in aller Regel auf einen Mangel bestimmter Substanzen (Eisenmangel, Vitamin B12 Mangel, Folsäure-Mangel) zurückzuführen.
Man kann Anämien zudem hinsichtlich der Form und Größe der Erythrozyten sowie dem jeweiligen Hämoglobingehalt weiter differenzieren:
- Normozytäre Anämie: die Form und Größe der Erythrozyten ist normal. Es sind jedoch zu wenig Erythrozyten vorhanden.
- Mikrozytäre Anämie: der Hämoglobingehalt ist zu niedrig.
- Makrozytäre Anämie: der Hämoglobingehalt ist zu hoch.
Normozytäre Anämie
Bei dieser Form der Anämie kann man zurecht von einem "Blutmangel" sprechen. Die Form und Funktionsweise der Erythrozyten ist bei einer normozytären Anämie eigentlich in Ordnung. Allerdings werden einfach zu wenige gebildet. Die Bildung der Erythrozyten (sog. Erythropoese) läuft im Knochenmark ab. Sie wird durch das Hormon Erythropoetin (kurz: Epo) ausgelöst, das in der Niere synthetisiert wird. Wenn zu wenig Epo freigesetzt wird, verlangsamt sich auch die Erythrozyten-Produktion.
Die Ursache für die verminderte Epo-Konzentration sind meist Erkrankungen der Niere. Allerdings kann sie auch aufgrund von Sauerstoffmangel in der Umgebung ausgelöst werden (z.B. im Hochgebirge). Zudem ist eine Reaktion auf Medikamente möglich.
Bei einer normozytären Anämie ist der Laborwert MCV (Mittleres Erythrozytenvolumen) normal.
Mikrozytäre Anämie
Mikrozytäre Anämien treten zumeist infolge von Eisenmangel oder bei Problemen mit der Nutzung des Eisens im Körper auf. Am weitesten verbreitet ist die Eisenmangelanämie (ca. 80%, zum größten Teil weibliche Patientinnen). Ursache können sein:
- Ein relativ hoher Blutverlust (z.B. Unfälle, starke Menstruation, unerkannte Blutungen im Verdauungstrakt)
- Unzureichende Eisenzufuhr durch die Nahrung.
- Defektes Transferrin (das Eisentransportprotein, dass das Eisen von seinen Speicherorten ins Knochenmark bringt)
Bei einer normozytären Anämie ist der MCV-Wert vermindert.
Aufgrund von Eisenmangel kann die sog. Häm-Gruppe, ein zentraler-Bestandteil des Hämoglobin, nicht normal gebildet werden. Wenn die Ursache erblich bedingt ist, spricht man von einer Hämoglobinopathie.
Hämoglobinopathien gehören zu den häufigsten Erbkrankheiten der Weltbevölkerung. In den Ländern Nord- und Mitteleuropas und ebenso in Deutschland haben sie durch die Immigration in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Zu den Hämoglobinopathie gehören u.a. die
- Thalassämie (Mittelmeeranämie)
- Sichelzellenanämie
Im Falle von bösartigen Tumorerkrankungen spricht man von einer Tumoranämie.
Bei der mikrozytären Anämie sind die roten Blutkörperchen aufgrund des geringeren Eisenanteils zudem meist auch blasser als gewöhnlich (hypochrom), siehe auch Hypochrome Anämie (Hypochromie). Der Hämoglobin-Anteil pro Erythrozyt lässt sich an der Menge von Hämoglobin pro Zelle ablesen (Blutwert "MCH": Mittleres Korpuskuläres Hämoglobin).
Typischerweise wird daher eine Anämie dieser Kategorie als „mikrozytäre, hypochromen Anämie“ beschrieben.
Makrozytäre Anämie
Eine makrozytäre Anämie wird auch als megaloblastäre Anämie bezeichnet. Hierbei ist die Produktion der Erythrozyten (sog. Erythropoese) eingeschränkt. Ursache ist meist Vitamin-B12-Mangel (Cobalamin), seltener ein Mangel von Thiamin oder Folsäure. Dieser Mangel führt dazu, dass die roten Blutkörperchen sich nicht vollständig entwickeln können - sie bleiben in einer (größeren) Vorstufe hängen.
Bei der makrozytären Anämie ist das mittlere Erythrozytenvolumen zu groß, siehe MCV-Wert erhöht. Das Blut wirkt aufgrund des hohen Eisenanteils in den Erys kräftiger bzw. leuchtender rot als gewöhnlich (hyperchrom; hyper=vermehrt). Der Hämoglobin-Anteil pro Erythrozyt lässt sich an der Menge von Hämoglobin pro Zelle ablesen (Blutwert "MCH": Mittleres Korpuskuläres Hämoglobin).
Typischerweise wird daher diese Anämie als „makrozytäre, hyperchromen Anämie“ beschrieben.
Der Vitamin-B12-Mangel kann vielfältige Ursachen haben:
- Unzureichende Vitamin-B12-Zufuhr durch die Nahrung
- Verminderte Aufnahme von Vitamin B12 (sog. Malabsorption) durch Magen- oder Darmerkrankungen, meist aufgrund von Autoimmunkrankheiten
- Bandwurmbefall (da diese größere Mengen Vitamin B12 verbrauchen)
- Mangel von Transcobalamin II, dem Transportprotein für Vitamin B12 im Blut
- Cadmiumvergiftung
Auch ein Folsäure-Mangel kann verschiedene Ursachen haben:
- Unzureichende Folsäure-Zufuhr durch die Nahrung
- Verminderte Aufnahme von Folsäure, u.a. aufgrund von Medikamenten oder Alkohol
- Bösartige Tumore
Symptome einer Anämie
Die typischen Symptome einer Anämie sind entweder direkt auf den Sauerstoffmangel, also die mangelnde "Energieversorgung" der Zellen zurückzuführen, oder treten als Folgeerscheinungen auf. Zu den ersten Anzeichen gehören:
- leichte Ermüdbarkeit
- Luftknappheit (besonders bei körperlicher Belastung)
- Konzentrationsschwäche und Kopfschmerzen
- Muskelschwäche
- Kältegefühl
- Schwindelanfälle
- blasse Haut
Weiterführende Links
- Eisenmangelanämie
- Hämoglobin zu niedrig
- Erythrozyten.net: Anämie
- Wikipedia: Anämie